
«Monsieur Prix» fordert mehr Transparenz bei Implantatpreisen
In seinem aktuellen Newsletter präsentiert der Preisüberwacher neue Daten zur Preisgestaltung orthopädischer und kardialer Implantate in Schweizer Krankenhäusern. Ziel der Erhebung war es, Einkaufspraktiken zu vergleichen und Preisunterschiede für identische Modelle aufzudecken.
Da die Zahl der Implantationen stetig steigt, nehmen auch die Kosten für die Spitäler – und damit für die Kantone und Krankenkassen – kontinuierlich zu. Zwischen 2013 und 2023 wuchs die Anzahl implantierter Hüftprothesen um 44 Prozent, während Knieprothesen einen Anstieg von 59 Prozent verzeichneten. Im Bereich der Herzimplantate stiegen die Eingriffe mit Schrittmachern um 31 Prozent, bei Defibrillatoren um 19 Prozent.
Im Jahr 2023 beliefen sich die Gesamtkosten für diese Behandlungen auf fast eine Milliarde Franken. Während Herzimplantate vor allem in grossen Universitätskliniken eingesetzt werden, dominieren bei orthopädischen Implantaten spezialisierte Kliniken.
Enge Verbindungen zwischen Anbietern und Ärzten
Wie in vielen anderen Ländern bestehen auch in der Schweiz enge Beziehungen zwischen Implantatherstellern und Chirurginnen sowie Chirurgen. Dies führt zu einer starken Abhängigkeit der Leistungserbringer von der Medizinprodukteindustrie, die von wenigen grossen Anbietern dominiert wird. Preisverhandlungen finden direkt zwischen Spitälern und Lieferanten statt – meist mit nur drei Anbietern pro Implantattyp. Öffentliche Ausschreibungen spielen mit einem Anteil von lediglich 7 Prozent kaum eine Rolle.
Ein zentrales Problem des Marktes ist die fehlende Preistransparenz. Laut Meierhans erschwert dies den Spitälern eine effiziente Einkaufsstrategie, die Verhandlung günstigerer Preise sowie eine nachhaltige Nutzung ihrer Ressourcen.
Allerdings setzen immer mehr Krankenhäuser auf Einkaufsgemeinschaften: 2017 gehörten nur 25 bis 30 Prozent der Akutspitäler solchen Zusammenschlüssen an, heute sind es rund 72 Prozent.
Massive Preisunterschiede bei Implantaten
Die erhobenen Daten des Preisüberwachers zeigen deutliche Preisunterschiede für identische Implantate. Beispielsweise variieren die Preise für eine Hüftprothesen-Komponente – den Oberschenkelschaft – je nach Spital um den Faktor 1,8 bis 2,9, während eine Hüftpfanne Preisunterschiede um den Faktor 1,9 aufweist.
Bei Knieprothesen sind die Differenzen noch extremer: Der Preis für ein Modell schwankt um den Faktor 3,8, bei einem anderen sogar um den Faktor 6,1.
Auch bei Herzimplantaten gibt es markante Unterschiede:
Ein Herzschrittmacher kann in verschiedenen Spitälern bis zu 4,5-mal so teuer sein.
Ein Defibrillator desselben Herstellers zeigt Preisunterschiede mit einem Faktor von 2.
Obwohl Faktoren wie Einkaufsvolumen oder technische Spezifikationen eine Rolle spielen, konnte kein direkter Zusammenhang zwischen Bestellmengen und Preisnachlässen festgestellt werden.
Hohe Preise in der Schweiz
Dass die Schweiz im internationalen Vergleich besonders hohe Preise für medizinische Implantate zahlt, ist nicht neu. Bereits 2007 untersuchte der Preisüberwacher dieses Problem und stellte fest, dass deutsche Gesundheitsdienstleister für denselben Herzschrittmacher nur 54 Prozent des Schweizer Preises zahlten, während das gleiche Gerät in Frankreich nur 47 Prozent kostete. Auch in Italien und Österreich waren die Preise deutlich tiefer.
Laut der aktuellen Umfrage sind 93 Prozent der befragten Schweizer Spitäler der Meinung, dass die Implantatpreise hierzulande im europäischen Vergleich zu hoch sind.
Intransparente Preisgestaltung
Recherchen der Tamedia-Zeitungen («Tages-Anzeiger», «Berner Zeitung») hatten kürzlich die fehlende Transparenz bei Implantatpreisen aufgedeckt. Am Beispiel des Herzschrittmachers Edora 8 DR-T von Biotronik zeigte sich, dass sich Gesundheitsdienstleister und Spitäler weigerten, ihre Einkaufspreise offenzulegen – unter Berufung auf vertragliche Geheimhaltungsklauseln. Interne Quellen lieferten dennoch Schätzungen für die Jahre 2018 bis 2020, wonach der Preis für dasselbe Modell zwischen 2'900 und 12'900 Franken schwankte.
Komplexe Vertragsbedingungen erschweren Vergleiche
Die Preisunterschiede lassen sich teils durch komplizierte Handelsklauseln erklären. Dazu gehören Paketangebote, Mengenrabatte oder Bedingungen, die den Kauf weiterer Produkte des gleichen Herstellers vorschreiben. Solche Mechanismen erschweren es Spitälern, Preise direkt miteinander zu vergleichen.
Vorschläge zur Verbesserung der Preistransparenz
Um diese Probleme anzugehen, schlägt der Preisüberwacher sieben Massnahmen vor:
- Nationales Preisregister: Einführung eines anonymisierten Registers der tatsächlich gezahlten Kaufpreise, zugänglich für Behörden, Krankenhäuser und Versicherer.
- Offenlegungspflicht: Anbieter sollen gesetzlich verpflichtet werden, die Preiszusammensetzung detailliert offenzulegen.
- Reduktion des Chirurgeneinflusses: Die Auswahl von Implantaten soll stärker auf Patientinnen-Bedürfnissen basieren und weniger von individuellen Präferenzen der Ärztinnen abhängen.
- Förderung von Parallelimporten: Vereinfachung der Vorschriften sowie Sanktionen gegen wettbewerbswidrige Praktiken.
- Stärkere Einkaufsgemeinschaften: Förderung der interkantonalen Zusammenarbeit in der Beschaffung.
- Mindestfallzahlen: Einführung einer Mindestanzahl an Eingriffen für bestimmte Implantate, um Erfahrung und Kosteneffizienz zu verbessern.
- Bessere Kontrolle durch die Kantone: Öffentliche Spitäler sollen verstärkt zur Nutzung von Ausschreibungsverfahren verpflichtet werden.
- Mit diesen Massnahmen soll die Preisgestaltung für Implantate transparenter und kosteneffizienter werden – ein Schritt, der langfristig sowohl das Gesundheitssystem als auch die Versicherten entlasten könnte.
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